Schlossgeschichte

 
Ursprünglich befand sich an der Stelle der heutigen Schlossruine eine Wasserburg, die mehrfachen Veränderungen und Erweiterungen unterworfen war. Die schlechten baulichen Zustände infolge des Dreißigjährigen Krieges, die nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprechenden Renaissancegebäude, das gewachsene Repräsentationsbedürfnis und die sich allmählich bessernde wirtschaftliche Situation ließen den Plan für einen Neubau reifen. Fürst Carl Wilhelm (1652-1718) begann das ehrgeizige Projekt, das vier Generationen währen sollte.
Stich von Simonetti   Der Entwurf, dem die neue barocke Dreiflügelanlage zu Grunde lag, stammte von dem niederländischen Baumeister und Ingenieur Cornelis Ryckwaert, der in den Diensten des brandenburgischen Kurfürsten stand. Mit ihm hielten holländische Einflüsse auf allen Lebensgebieten in Zerbst Einzug. Für die Errichtung des Residenzschlosses wurden die nördlichen Teile der Burganlage abgetragen und das dort gewonnene Material für die Fundamente des Neubaus genutzt.
Am 31. Mai 1681 legte Carl Wilhelm den Grundstein zum Corps de logis des Schlosses. Der Haupttrakt war 1689 im Rohbau vollendet. Den inneren Ausbau übernahm der italienische Baumeister und Stukkateur Giovanni Simonetti. Er schuf Räume mit prächtigen barocken Stuckdecken und schönen Kaminen. Nach dem Ableben Ryckwaerts übernahm Simonetti auch die Bauleitung und wurde 1694 zum fürstlichen Baumeister ernannt. Das Corps de logis war Ostern 1696 fertiggestellt. Am 23. Juni des Jahres, dem Geburtstag der Fürstin Sophia, fand der offizielle Einzug und die feierliche Einweihung des Corps de logis statt.

Der fürstliche Hof nutzte nach wie vor die Hof- und Stiftskirche zu St. Bartholomäi für Gottesdienste und andere kirchliche Anlässe. Es bestand jedoch der Wunsch nach einer eigenen Kapelle im Schloss. Nachdem die Einnahmen des Landes, auch durch Erträge aus dem seit 1667 zu Anhalt-Zerbst gehörenden Jever, die Grenze von 100.000 Talern überschritten hatten, war ein Neubau möglich. Der Hofbaumeister Giovanni Simonetti führte den Westflügel in Anlehnung an den Ryckwaertschen Plan aus. Der Grundstein zum neuen Trakt wurde am 16. April 1703 gelegt. Der Westflügel war 1706 im Rohbau und um 1715 im Innern, bis auf die Schlosskapelle, vollendet. Der Ausbau der Kapelle erfolgte erst ab 1717. Die feierliche Einweihung des prächtigen Raumes fand am 18. Oktober 1719 statt.

In der dritten Bauperiode ab 1721 wurde der südliche Mittelrisalit des Corps de logis zu einem Turm ausgebaut. Den Auftrag erteilte Fürst Johann August (1677-1742), die Pläne dazu schuf der aus Sachsen-Weißenfels stammende Baumeister Johann Christoph Schütze, der ab 1722 Hofbaumeister in Zerbst war. Der 1725 vollendete Turm beherrschte von nun an die Schlossanlage.
  Schlosskapelle

Schütze erweiterte ab 1736 den Westflügel um einen Pavillonanbau nach Süden. Der Gebäudetrakt war 1738 im Rohbau und 1743 im Innern vollendet. Im obersten Geschoss befand sich das Appartement des Fürsten, der die Fertigstellung jedoch nicht mehr erlebte.

Grünes Kabinett   Unter den Fürsten Johann Ludwig (1688-1746) und Christian August (1690-1747) erfolgte die Auftragserteilung zur Vollendung der Schlossanlage. Bereits 1743 begannen die Arbeiten mit dem Abbruch der im südlichen Bereich noch bestehenden alten Burggebäude. Die feierliche Grundsteinlegung zum Ostflügel erfolgte am 13. Juni 1744. Die Bauleitung hatte der preußische Baukondukteur Johann Friedrich Friedel, ein Mitarbeiter des genialen Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff. Der Rohbau war in kürzester Bauzeit im Jahre 1746 fertiggestellt. Gleich darauf begann der innere Ausbau im Stil des friderizianischen Rokokos. Nach dem Tode der beiden Regenten führte die Fürstin-Witwe Johanna Elisabeth (1712-1760), die vormundschaftlich für ihren Sohn Friedrich August regierte, den Bau weiter. Der letzte Fürst von Anhalt-Zerbst, Friedrich August (1734-1793), übernahm 1752 die Landesregierung. Diplomatische Verwicklungen mit dem Preußenkönig Friedrich II. zwangen ihn und seine Mutter 1758 zur Flucht. Damit kamen die Bauvorhaben am Schloss zum Erliegen.

Das zweite Stockwerk des Ostflügels blieb unvollendet und wurde erst im Zuge der Einrichtung des Schlossmuseums ausgebaut. Das äußere Erscheinungsbild der gesamten Schlossanlage war vom Barock geprägt, während sich im Innern des Ostflügels das friderizianische Rokoko mit seinen filigranen und verspielten Formen und Rocaillen entfaltete. Der Berliner Bildhauer Johann Michael Hoppenhaupt d. Ä., der auch die Schlösser Friedrichs des Großen ausstattete, schuf einen bedeutenden Teil der wertvollen Innendekorationen, darunter das prächtige Zedernkabinett. Die Zerbster Fürsten hatten sich mit dem barocken Residenzschloss ein kleines Versailles geschaffen.

Mit Erlöschen des Zerbster Fürstenhauses 1793 fiel das Schloss der Linie Anhalt-Dessau durch Losentscheid zu. Nach der Abdankung des Herzoghauses 1918 wurde eine Kulturstiftung, die Joachim-Ernst-Stiftung, gegründet, von der neben anderen Schlössern auch das Zerbster ohne Einrichtung zum Zwecke des Aufbaus eines Landesmuseums übernommen wurde. Das Schlossmuseum konnte im Jahre 1921 mit den Abteilungen Kunst- und Kulturgeschichte Anhalts sowie den naturwissenschaftlichen und vorgeschichtlichen Sammlungen eröffnet werden. Neben dem Museum mit fast 80 Ausstellungsräumen befanden sich das Anhaltische Staatsarchiv, das Zerbster Stadtarchiv, das Finanzamt und andere städtische Institutionen im Schloss.   Luftbild des Schlosses

Schlossruine   Am 16. April 1945 wurde das Residenzschloss durch Bomben schwer getroffen und brannte vollständig aus. Die nicht ausgelagerten wertvollen Bestände der Archive und die Ausstellungsgegenstände des Museums gingen durch Zerstörung und anschließende Plünderungen fast völlig verloren. Trotz der schweren Verwüstungen imponierte das Schloss noch immer durch seine gewaltigen Ausmaße. Im Dezember 1947 erfolgte die Übereignung des Schlossgartens inklusive Schlossruine an die Stadt Zerbst.
Die Zuständigen der Stadtverwaltung gingen sofort an die endgültige Vernichtung der barocken Dreiflügelanlage, obwohl eine Sicherung der Ruine einen späteren Aufbau ermöglicht hätte. Doch die Anordnung der Sprengung war eine politische Entscheidung, kunsthistorische Argumente zählten nicht. Somit brach eine zweite Vernichtungswelle über Zerbst herein. Mit dem sinnlosen Abbruch des Corps de logis und des Westflügels wurde die überregional bedeutende Gesamtanlage vernichtet. Nur die immer mehr verfallende Ruine des Ostflügels lässt noch einen Hauch von der einstigen Pracht des Zerbster Residenzschlosses erahnen.